Ascona C Designer - Hans Nauheimer

Nachfolgend ein kleiner Beitrag über Hans Nauheimer von Gabriel "Kiba" Weiskopf. Hans Nauheimer war über 40 Jahre für Opel tätig und arbeitete im Opel Design Studio (übrigens das erste, nur für Design zuständige Studio, welches in Europa durch einen Autohersteller eröffnet wurde). Er gestaltete u.a. am Manta A, Calibra und Vectra A mit. Und natürlich auch am Ascona C bzw. J-Body.
Gabriel war im März 2020 bei Hans Nauheimer und führte dort mit ihm ein Gespräch, dessen Inhalt hier jetzt wieder gegeben wird.

Vielen Dank für den Beitrag!

Hans Nauheimer, genannt Hennes, wurde 1937 in Rauheim geboren. Seine Mutter war 36 Jahre alt und sein Vater 34 Jahre als Hans Nauheimer geboren wurde. Sein Vater fiel im zweiten Weltkrieg, wodurch seine Mutter alleinerziehend war. Sie war gelernte Schneiderin und konnte die kleine Familie so über Wasser halten. Die Schwester der Mutter (seine Tante) war ebenfalls allein und so hielten die beiden Geschwister bis zum Tode als Familie zusammen.

Der Beginn bei Opel:
Hans Nauheimer fing nach der Volksschuhe 1952 seine Lehre bei Opel im Vermessungsbüro an. Seine Aufgaben dort hat er wie folgt beschrieben:
"Ich bekam von der Fertigung zum Beispiel jeden eintausendsten Kotflügel und habe diesen anschließend vermessen, ob die Maße, die das Bauteil haben soll, noch stimmen. Da es ja auch an den Presswerkzeugen Verschleiß gibt."
Das ist auf lange Sicht wohl nicht sonderlich erfüllend gewesen. Zum Glück rief sein damals bester Freund, mit welchem er zusammen die Lehre machte (ich glaube er hieß Armin), eines Tages vom Nachbarbüro bei Hennes an. Am Telefon sagte er zu ihm: „Lass Dich die nächsten 14 Tage frei stellen, wir gehen zur Aufnahme der Karosseriebauschule in Kaiserslautern“.

Im Gespräch bei Opel über das Vorhaben, auf die Karosseriebauschule nach Kaiserslautern zu gehen, sagte sein Vorgesetzter: „Passt auf Jungs, wenn Ihr Euch nach der Schule für zwei Jahre verpflichtet, bei Opel zu arbeiten, dann zahlen wir Eure Krankenversicherung weiter und auch die anfallenden Schulgebühren".
Das war natürlich ein verlockendes Angebot, welches da unterbreitet wurde und so lehnten Beide das auch nicht ab. Und klar: beide wurden an der Karosseriebauschule aufgenommen.

Kaiserslautern:
In Kaiserslautern lernte er Georg Voll kennen. Georg war der Sohn eines Karosseriebauers in Würzburg und es entwickelte sich daraus eine langjährige Freundschaft. So haben Sie auch schon in der Schulzeit einige Abenteuer erlebt.
Beispielsweise wettete Hennes mit ihm, dass er zu Fuss von Raunheim nach Kaiserslautern läuft, wenn er Georg Voll in den Noten übertrifft, und alle Noten im Schnitt besser sind als 2. Tja, Hans Nauheimer war besser, mit einem Notenschnitt von 1,8 und hielt die Wette. Er lief vier Tage lang, pro Tag 20 km, und übernachtete in den Gaststätten auf dem Weg von Raunheim nach Kaiserslautern.
Hans Nauheimer erinnert sich auch ein Fasching mit Georg. Beide stifteten die ganze Klasse an, mit Ihnen Fasching zu feiern. Das artete leider soweit aus, dass die komplette Woche niemand in der Schule auftauchte. Die Woche darauf gab es deswegen Konsequenzen. Die Schule konnte die Schüler nicht rauswerfen, da sie sonst den ganzen Jahrgang verloren hätte, aber Sie setzten die Woche darauf Prüfungen an, welche als Strafe dann auch sehr schwer waren. Die beste Note war eine 3 (das war Hennes) und die meisten hatten eine 5.
Als die mündlichen Prüfungen anstanden, erschien Georg Voll vor dem Prüfungskomitee und sagte: "Auch wenn ich jetzt nicht teilnehme, bleibt es aufgrund der Noten bei einer 4 richtig?". Die Prüfer schauten kurz über die Noten und bestätigten dies. Georg sagte darauf: "Ok, ihr könnt mich gernhaben. Tschüss" und verließ den Saal.
Schaut man sich seine berufliche Entwicklung an, so scheint das nicht geschadet zu haben... ;)

Aber zurück zu Hans Nauheimer: Während seiner Schulzeit in Kaiserslautern wurde er mit seiner Frau Helga verkuppelt. 1963 kam sein erster Sohn Michael und 1971 sein zweiter Sohn Rafael auf die Welt.

Bild rechts: Georg Voll? Karosseriebauer? Würzburg? Da war doch was...

Hans Nauheimer

Opel Design Studio:
Die Karosseriebauschule Kaiserslautern wurde erfolgreich absolviert und so ging es zurück zu Opel. Allerdings wurden aus den versprochenen 2 Jahren dann insgesamt 40 Jahre (und auch die Zeit der Ausbildung wurde ihm angerechnet). Ein Berufsweg, der heutzutage kaum noch möglich ist...
Das erstes Projekt, an dem Hans Nauheimer mitarbeiten durfte, war der Opel Manta A von George Gallion. Hennes war ein leidenschaftlicher und talentierter Maler, weshalb Opel ihn für einige Jahre nach Detroit in das Design Studio von GM senden wollte. Da Hennes seinen Sohn jedoch nicht aus der Schule reissen wollte, um in die USA zu ziehen, blieb er in Rüsselsheim.
David Holls (Opel Design-Chef seit Juli 1971) steckte ihn deshalb in das Design Studio von Erhard Schnell (DER Calibra Designer!), welcher selbst in Detroit war (bei Opel gab es mehrere Design Studios). Hans Nauheimer hat dann zusammen mit Erhard Schnell bis Anfang der 90er in diesem Studio gearbeitet.
In den Studios war man fernab von anderen Opel Mitarbeitern. Hennes besuchte beispielsweise niemals die Opel Kantine. Im Studio gab es einen Raum, man nannte Ihn Sozialraum. Dort haben die Opel Sattler Bänke angebracht und die Schreinerei einen runden drehbaren Tisch. Eine Örtliche Metzgerei lieferte Essen, so dass man gar nicht das Studio verlassen musste. Ob das letztlich gut oder schlecht war...?!?
Unterhalten hatte man sich überwiegend in Englisch, und auch sämtliche Meetings und Präsentationen wurden in Englisch gehalten. Hier spiegelt sich natürlich das Verhältnis von Opel als GM Konzerntochter zu General Motors wieder.

Wie genau das Vorgesetzen Verhältnis war, habe ich durch die Erzählungen von Hennes nicht ganz verstanden. Henry Haga und Gordon Brown waren Direktoren, jedoch Chuck Jordan von General Motors stand immer über ihnen, und konnte direkt an dem Design und an den Entwürfen Änderungen vornehmen ohne dass man dies abklären musste.

Entwicklung des J-Body / Ascona C
Als das Projekt konzipiert wurde, hatte man das neue Antriebskonzept Frontantrieb als Neuheit im Focus. Man dachte damals erstmal nicht in erster Linie an den Nachfolger des Ascona B, denn neue Technik sollte durch ein neues Design und einem futuristischen Namen repräsentiert werden. Ein Coupe mit einer lang gezogenen Front und, nach Hennes Vorstellung, mit 15 Zoll Felgen, sollte zeigen, dass Opel mit neuer Technik einen Schritt in die Zukunft plante.

Dann kam die Präsentation des Opel Rekord auf der IAA. Chuck Jordan welcher zwei rote Ferraris fuhr, nur maßgeschneiderte Dior Anzüge aus Paris und handgeschnitzte Schuhe aus Italien trug, war auch dort. Nach der Ausstellung hatte Mister Jordan sich leider verlaufen und musste über einen nassen Acker zu seinem Ferrari laufen.
In Rüsselsheim angekommen, hatte Chuck sich Schuhe, Anzug und Innenraum versaut. Dadurch war er sehr wutgeladen und warf alle Entwürfe, und somit das Design weg. So etwas nennt man heute wohl "Impuslkontrollstörung" (ICD 10 - F63.8). Das Team musste von Vorn anfangen.
Das Konzept wurde aber nicht fallen gelassen, sondern nur aufgeschoben.

Hans Nauheimer

Hennes malte seine Bilder immer in der Originalgröße des Fahrzeuges. Das ist natürlich ideal, um seine Vorstellung für alle verständlich zu machen, setzt allerdings auch ein hohes Maß an Können und Wissen voraus.

Ein greifbarer Punkt für alle Ascona C Design Interessierten dürfte jetzt kommen, denn die Felgen auf dem Bild rechts dürften einem sehr bekannt vorkommen. Diese wurden von Hans Nauheimer entworfen und anschliessend von einer schweizer Firma gebaut.
Leider lief hier auch nicht alles so, wie Hennes es sich gewünscht hatte. Aber auch in der Ascona C Entwicklung gab es schon ein Controlling, auch wenn das seinerzeit sicher anders hieß...

Denn General Motors wollte 13 Zoll Felgen und ließ alle Felgendesigns in 13 Zoll anfertigen. Als die Schweizer Firma jedoch eines Tages wegen der Felgen ins Designstudio kam, gab Hennes einfach eine Felge in 14 Zoll Größe mit in Auftrag, obwohl diese bereits als 13 Zoll Muster vorlag und lies diese direkt an den ersten Prototypen anbringen (siehe zweites Foto von oben Ascona C - Modellentwicklung).

Hans Nauheimer

Nicht alles konnten die Designer allein machen und so gab es Unterstützung in verschiedenen Bereichen der Designentwicklung.
Auf dem Foto rechts ist links Murat Nasr zu sehen. Der Herr mit dem Schnauzbart rechts im Bild kam unterstützend aus dem Kadett Team und half bei der Umsetzung.
An den Namen des Kollegen aus dem Kadett Team kann sich Hennes leider nicht mehr erinnern. Hier würden wir uns über Infos freuen.

Beide tauchen öfter auf den Bildern des Design- und Entwicklungsteams auf und zeigen verschiedene Bereiche der Entwicklung. Murat Nasr, und später Joji Nagashima, haben sich z.B. auch sehr auf das neue Fließheck konzentriert
Stellt sich nur die Frage: Zeigen die Bilder den Entwicklungsalltag oder sind die gestellt?

Hans Nauheimer

Unterm Strich musste man, wollte man das GM J-Car wirklich als Weltauto vermarkten, ein eher konservatives Design ansetzen. Nach dem Ausflug in die Idee eines Coupes stand dann recht schnell fest, in welche Richtung es dann gehen sollte. Ein viertüriges Stufenheck...

Hans Nauheimer

... und ein 5-türiges Fliessheck waren fest geplant und designt.

Hans Nauheimer

Wie vielleicht in den Entwürfen, auf den Zeichnungen und auf den Plastilin Modellen aufgefallen ist, hatten die hinteren Fenster keine Dreiecksfenster. Auch die Prototypen hatten und brauchten es nicht. Die Technik war da, um die hintere Scheibe im Ganzen zu versenken zu können. Leider wurde das im Serienmodell verworfen.
Mutmasslicherweise kam da wieder die Frage der Kosten ins Spiel und so musste eine einfachere Mechanik ausreichen. Allerdings ist das kleinere Fenster ja irgendwie auch ein Erkennungsmerkmal der J-Car Baureihe...

Moduliert wurden die Plastilinmodelle von Hans Dejung.

Kleine Nebeninfo: Die Rückleuchten als Prototyp gab man bei Hella in Westfalen in Auftrag.

Hans Nauheimer

Nach dem Ascona:
Chuck Jordan verwarf ja bekanntermaßen das erste J-Car Konzept als Coupe mit der nach vorne langgezogener Front. Jedoch war das Design im Kopf und so entstand daraus dann einer der ersten Entwürfe für das später Calibra genannte Coupe, wenn auch nicht unter diesem Namen. Hennes zeichnete 1980 somit schon den ersten Opel Calibra.
Damit der Calibra nicht wieder vom Design kaputt gemacht wird, so wie es beim Ascona war, hatte das Team von Erhard Schnell und Hennes einen Plan. Sie wussten, dass der Direktor aus Detroit sehr viel wert auf Rückleuchten legte. Sie modellierten dem Calibra die hässlichsten Rückleuchten, die Sie sich ausdenken konnten. Eine runde und eine ovale pro Seite.
Als der Direktor aus Detroit das Concept abnehmen wollte, und hierfür einen 7 Tage Aufenthalt plante, verlängerte er seinen Aufenthalt auf 11 Tage und war diese Tage nur damit beschäftigt, dem Calibra die Rückleuchten zu Formen, welche er dann letztlich bekommen hat.
Damit wurde aber das restliche Design vom Calibra nicht mehr verändert und blieb so schön wie dieser heute ist.

Auf seine Arbeit am Calibra, und auch die Zusammenarbeit mit Erhard Schnell, welcher leider 2020 verstorben ist, ist Hennes auch heute noch sehr stolz.

Bild rechts: Hans Nauheimer am Calibra.

Hans Nauheimer

Und dann?
Neben seiner Tätigkeit im Opel Design Studio war und ist Hans Nauheimer auch als Künstler tätig und sehr gefragt.
Während seiner Arbeit bei Opel ließen Gordon und Chuck alle Opel Bilder auf dem Gang zum Studio entfernen und gaben Hennes den Auftrag seine privaten Bilder hinzuhängen. Er lies sich dazu in der Opelschreinerei Rahmen anfertigen und diese Kunstwerke hängen bis heute noch dort. Leider ist das Studio für die Öffentlichkeit unzugänglich.
Wie auch sein Freund Erhard Schnell, welcher in seiner Freizeit aber auch gern zum Bodensee fuhr, um Landschaften zu zeichnen, zeichnete Hennes gern Menschen. Sehr beeindruckt war ich von einem großen Gemälde, welches nur aus Bleistiftstrichen bestand und das Menschen mit Tierköpfen, in dem Fall Pferdeköpfen, zeigte.
Als sehr heimatverbundener Mensch und Künstler hat er u.a. seine Werke seinem Geburtsort Rauheim übergeben.
Hennes ist auch sehr stolz darauf, eine ganze Kirche, die Heilig-Geist-Kirche mit 8 und 12 Meter hohen Gemälde geschmückt zu haben. Auch ist er sehr stolz darauf, mehrere Ausstellungen im Mainzer Dommuseum bekommen zu haben.
Er ist ein sehr talentierter Künstler. Möbel und Räume in seinem Haus hat er selbst entworfen und mit hochwertigsten Materialien anfertigen lassen.

Auf die Frage hin, welches Auto er privat fuhr erklärte er mir, dass er alle 7 Monate von Opel ein neues Auto bekommen würde und darum kein eigenes hat.
Er hat nur mal für seine Frau einen weißen Ascona C Stufenheck gekauft und sich für diesen extra seine Felgen von der Schweizer Firma in 15 Zoll(!!!) anfertigen lassen. Auch ist er lange Calibra gefahren, selbst als Opel ihn offiziell nicht mehr baute, bekam er noch einen Calibra nach seinen Wünschen.

Bild rechts: Hans Nauheimer im Jahr 2016

Hans Nauheimer

Zum Treffen
Am Freitag, den 06.03.2020, hatte ich die Ehre, Herrn Nauheimer kennen zu lernen zu dürfen.

Er erinnert sich noch gut an die Zeit bei Opel damals. Der Ascona C ist nicht unbedingt das Projekt, auf das er heute stolz ist (wie auch, bei den Widrigkeiten...), aber er war begeistert, dass es noch viele, und vor allem auch junge, Leute gibt, denen das Auto ans Herz gewachsen ist. Er versuchte mir alles so detailliert wie möglich zu erklären, wie es damals war.
Das Treffen mit Herrn Nauheimer dauerte über sechs Stunden. Sämtliche Details und Geschichten habe ich mitgeschrieben auf einem Block, welcher hier als Protokoll dient.

Er bestand darauf, dass wir während des Treffens eine der Flaschen öffnen und trinken, welche ihm Erhard Schnell zu seinem 40-jährigen Opel Jubiläum bemalte und schenkte.

Ich möchte mich von ganzen Herzen bei Herrn Nauheimer für das Treffen und die vielen Infos zu seinem Leben bedanken.

Gabriel Weiskopf am 10. März 2020

Bild rechts: Zeichen der Verbundenheit über viele Jahre - Champagnerflasche für "Hennes" - Design by Erhard Schnell

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